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Abgeliebt und abgezockt - Väter nach der Trennung

Kapitel 9

Nicht Wollen oder nicht Können?

Es ist nach wie vor das leidige Thema – Wie schaffe ich es meine Kinder alle zwei Wochen zu sehen und wie schaffe ich es, dass sich die Kinder ohne schlechtes Gewissen bei mir wohlfühlen? Habe ich eigentlich eine Chance das zu erreichen? Liegt es möglicherweise sogar an mir? Diese Frage stellte ich mir häufig und das führte dazu, dass ich mich mehr mit dem Thema Kindesentzug und Umgangsvereitelung beschäftigt habe. Geholfen hat mir hierbei das viel gescholtene Internet. Zu Beginn war ich recht optimistisch da ich sehr viele Suchergebnisse zu den Themen gefunden habe. Nach der Lektüre der ersten „Treffer“ war ich nicht mehr so euphorisch. Daher folgen nun einige Auszüge und Textpassagen mit den entsprechenden Quellenangaben.

Waren trotz Beziehungsabbruch und Sprachlosigkeit noch Absprachen oder gar einvernehmliche Regelungen möglich, markiert die offizielle Duldung mit der Folge, dass gar nicht erst ein Unrechtsbewusstsein aufkommt, die entscheidende Wende, von der an der das Kind festhaltende Elternteil seine Alleinverfügung über das Kind als sein "gutes Recht" ansieht und sich dabei bestimmter Verhaltensweisen bedient, deren Hintergründe und Zusammenhänge zu kennen, eine kindeswohlorientierte Einflussnahme erleichtern.

Einmal soweit gekommen, beginnt der das Kind festhaltende und sich im "guten Recht" wähnende Elternteil, den persönlichen Umgang, oft aber auch jegliche Kontakte mit dem anderen Elternteil, wie Telefongespräche, Postsendungen oder Geschenke, zu vereiteln. Dahinter steht in erster Linie weniger die Absicht, den anderen Elternteil zu kränken, auch wenn es oft den Anschein hat. Vielmehr nimmt der Elternteil, bei dem sich das Kind befindet, im täglichen Zusammenleben etwas von der Konfliktsituation des Kindes zwischen beiden Eltern, dem "Dazwischenstehen", wahr, und er fürchtet im Innersten, das Kind könne abtrünnig werden und sich dem anderen Elternteil zuwenden. Die sich darin äußernde Verlustangst findet im Mangel an Unrechtsbewusstsein kein Regulativ, so dass durch eine totale Kontaktsperre die vorhandenen Ängste zerstreut werden sollen. Bei der Kontakt- und Umgangsvereitelung handelt es sich nicht etwa immer um einen Vorsatz, sondern in den meisten Fällen um Emotionen, die auf das Kind übertragen werden. Weil sich emotionale Befindlichkeiten in ähnlichen Situationen sehr viel mehr gleichen als etwa persönliche Meinungen über einen bestimmten Sachverhalt, haben sich die von ganz verschiedenen Eltern vor Gericht, beim Jugendamt und gegenüber dem Sachverständigen vorgebrachten Argumente zur Rechtfertigung der Umgangsvereitelung als weitverbreitetes und stereotypes Verhaltensmuster seit 1977 (Einführung des Zerrüttungsprinzips) soweit verfestigt, dass sie den Charakter von Ritualen angenommen haben, für die keine stichhaltige Begründung gegeben sein muss und die in Argumentation und Verhalten nicht zimperlich zu sein brauchen, weil sie sich ohnehin der Beweisführung entziehen.

Bei unveränderter Absicht, den Umgang mit dem anderen Elternteil zu vereiteln, folgt dem Ruhe-Argument prompt das Argument: ". . . aber das Kind will ja nicht". Was dahintersteht und wie es im Einzelnen zusammenhängt, ist das Ergebnis von Einzelfallstudien, aus denen die auf den Punkt gebrachten Beispiele für die vier als typisch zu kennzeichnenden Variationen des Themas "Aber das Kind will ja nicht" in diesem Kapitel entnommen sind.

Die dazugehörigen Typenmerkmale sind:

1.         das Kind soll nicht

2.         das Kind kann nicht

3.         das Kind will wirklich nicht und

4.         das Kind darf nicht.

Bei (1) und (2) ist der das Kind festhaltende Elternteil der eigentliche Akteur, bei (3) hat das Kind selbst triftige Gründe und bei (4) liegt eine gerichtliche Entscheidung vor.

Die vierfach typischen Erscheinungsbilder

Typ 1: Das Kind soll nicht

Typisches Kennzeichen: Der macht sich zum Sprachrohr des Kindes, während das Kind dies entweder schweigend über sich ergehen lässt oder gar nicht erst in Erscheinung tritt. Was dahintersteht, ist durchsichtig. Das Kind soll keinen persönlichen Umgang mit seinem anderen Elternteil haben. Um das sicherzustellen, tritt der das Kind festhaltende Elternteil als Akteur auf und, weil er sich des Kindes gar nicht sicher ist, sieht er zu, dass es gar nicht erst in Erscheinung tritt. Diese Szene ist vielen Elternteilen, die vergeblich kommen, um ihr Kind zum Besuch abzuholen, wohlbekannt.

Wer hier nicht will, ist nicht das Kind, sondern das Kind festhaltende Elternteil. Er will nicht, dass das Kind Kontakt mit der Mutter oder dem Vater hat und das Kind versteht sehr gut, dass es nicht soll. Zum Umgehen mit widerspenstigen Elternteilen noch zwei gerichtliche Entscheidungen, über die sich der Leser seine eigenen Gedanken machen mag.

(1) Nachdem die Kindesmutter bei mehreren Anhörungsterminen dabei blieb, jeglichen Umgang ihrer Tochter mit dem Vater abzulehnen, wurde die Befugnis des Vaters zum persönlichen Umgang wegen mangelnder Erfolgsaussicht ausgeschlossen (KreisG Erfurt - F 32/91).

(2) Bei gleicher Ausgangslage lässt sich ein Gericht nicht von der ablehnenden Haltung der Kindesmutter beeindrucken, beschließt ein Umgangsrecht und führt in der Beschlussbegründung dazu aus: "Die Mutter ... ist bedauerlicherweise bei ihrem Nein geblieben, ohne triftige Gründe angeben zu können.... Abschließend rät das Gericht ... die Entwicklung und das Wohl der Tochter zu beachten" (AmtsG Bremen - 63 F 908/93). Zeitschrift für das gesamte Familienrecht vom 15.12.1995 Seite 7 von 15

Typ 2: Das Kind kann nicht

Typisches Kennzeichen: Der das Kind festhaltende Elternteil bleibt im Hintergrunde und schickt das Kind vor. Das kann er sich leisten, denn er ist sich des Kindes sicher, dass es sich nicht dem anderen Elternteil zuwenden wird. Regelmäßig erklärt dieser Elternteil, das Kind könne ja den anderen Elternteil besuchen, wenn es wolle, aber es wolle ja nicht. Tatsächlich kann aber das Kind nicht, wenn es auch wollte. Diese Manipulation der kindlichen Persönlichkeit wird oft verkannt, häufig sogar bei der offiziellen Anhörung des Kindes. Sei es beim Jugendamt oder - leider - durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen oder auch nach § 50b FGG, wenn nämlich davon ausgegangen wird, die Aussage des Kindes, den anderen Elternteil nicht besuchen zu wollen, entspräche dem unbeeinflussten, unabhängigen und freien Willen des Kindes.

Wie es sich tatsächlich damit verhält, ist rasch erklärt. Denn ein Kind verfügt im Spannungsfeld zwischen seinen Eltern keineswegs über einen freien Willen. Vielmehr ist es von dem einen Elternteil, bei dem es sein Zuhause hat, abhängig und es kann es sich nicht mit ihm verderben. "Wes Brot ich eß, des Lied ich sing", sag der Volksmund dazu.

Nicht immer sind es Unfreiheit und Abhängigkeit, welche das Kind an seiner Zuwendung zum anderen Elternteil hindern. Wir kennen auch eine andere Erscheinungsform des Typs "Das Kind kann nicht", die uns viel mehr zu schaffen macht. Der Kinderpsychiater

Richard A. Gardner bezeichnet sie als "The Parental Alienation Syndrome", abgekürzt PAS und zu Deutsch "Das elterliche Feindbild-Syndrom". Dadurch, dass der das Kind festhaltende Elternteil aus seiner Abneigung gegen den anderen Elternteil kein Hehl mache, werde das Kind mit einem Negativbild dieses anderen Elternteils ausgestattet, so dass eine nachhaltige Entfremdung die Folge ist. Nach Gardner nimmt dabei das "Brainwashing", also die Gehirnwäsche durch den das Kind festhaltenden Elternteil, eine zentrale Stellung ein. Auch dazu ein kennzeichnendes Beispiel:

Die Mutter kann dem Ehemann nicht vergeben, sie mit dem damaligen Kleinkind einfach sitzen gelassen und einem zu mancherlei Verzicht gezwungenen Dasein ausgeliefert zu haben. Dadurch hat der Mann in den Augen der Mutter seine Vaterschaft längst verwirkt und darum verweigert sie seinen persönlichen Umgang mit dem Sohn. Der fast 12jährige erklärt: "Bei uns wird über den Vater nicht mehr gesprochen", womit er sagen will, der Vater sei aus dem Leben der Mutter und aus seinem Leben ausgelöscht. Die vor dem FamG stattfindende Begegnung von Vater und Sohn zeigt deutlich, wie fremd sich beide geworden sind. Um aber eine Wiederannäherung nicht zu verhindern, wird die Befugnis des Vaters zum persönlichen Umgang mit seinem Sohn trotz der offenkundigen Hindernisse von Rechts wegen nicht ausgeschlossen (AmtsG Altona - 8b 79/91) Dieses Beispiel zeigt, wie leicht Eltern, die ihren Streit trotz Trennung oder Scheidung noch nicht ausgefochten haben, der Versuchung erliegen, das ihrer Obhut anvertraute Kind dazu zu benutzen, den anderen Elternteil durch die Verweigerung des persönlichen Umgangs zu treffen. Wenn sie aber sagen, das Kind könne ja den anderen Elternteil besuchen, wenn es wolle, dann ist zu prüfen, ob es nicht doch reine Zugeständnisse oder bloße Lippenbekenntnisse sind. Was ein bloßes Lippenbekenntnis im Kinde anrichten kann, zeigt das Zitat aus einem Sachverständigengutachten:

"Je mehr (der Vater) nun in das Kind drang, warum es denn die Mutter nicht besuche, ... umso mehr verweigerte sich (der Sohn), bis er schließlich seine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte ... Was sich da ... zwischen Vater und Sohn ereignete, wird nach G. Bateson als (engl.) double bind  zu Deutsch Doppelbindung oder auch Beziehungsfalle bezeichnet:

Der Vater sendet zwei an den Sohn gerichtete Botschaften. ... Die Beziehungsfalle besteht darin, dass die eine Botschaft der anderen widerspricht.

Wollte (der Sohn) der verbalen Botschaft folgen und die Mutter besuchen, würde er gegen die nonverbale Botschaft, dies sei unerwünscht, verstoßen." Die Beziehungsfalle ist eine raffinierte Methode, ein Kind an sich zu binden (OLG Hamm - 5 UF 269/90).

Typ 3: Das Kind will wirklich nicht

Dieser Typus kommt nur wenig vor. Darum ist er ein Glücksfall, wenn die beiden Beispiele einer unbeeinflussten, freien Willenserklärung zweier Kinder in diese Studie aufgenommen werden konnten.

(1) Ein werdender Vater verlässt seine hochschwangere Ehefrau und erscheint auch nicht zur Geburt des gemeinsamen Kindes. Erst nach Jahren, als das Kind schon im Kindergartenalter ist, fordert der Vater den persönlichen Umgang mit seiner Tochter. Diese, von der Mutter unwissend gelassen, ist ahnungslos, dass sie außer ihrem Stiefvater noch einen leiblichen Vater hat. Im Verlaufe jahrelanger Rechtsverfahren wird dem Vater die Umgangsbefugnis von Rechts wegen bestätigt. Das Kind fügt sich. Es ist ja nur monatlich einmal für eine Stunde. Das reicht natürlich nicht, um eine zwischenmenschliche Beziehung zwischen zwei zwar verwandten, aber sonst fremd gebliebenen Menschen wachsen zu lassen. Je ungeduldiger der Vater sein Umgangsrecht einfordert, umso mehr verschließt sich ihm das inzwischen 12 Jahre alt gewordene Kind. Auf eine Begründung für sein Verhalten angesprochen, gibt das Mädchen wörtlich zu Protokoll: "Ich will mit einem wildfremden Menschen ... immer kommen welche her und ich muss immer zum Gericht. Ich will das nicht mehr". Und auf die Frage an das Mädchen, ob es nicht ein Interesse habe zu sehen, was das eigentlich für ein Mensch ist: "irgendwann wenn ich älter werde, könnte ich ja mal gucken, ob er...". So muss die vom Gericht beschlossene Umgangsregelung unter Respektierung der vom Kind genannten Gründe gegen weitere Treffen mit dem Vater als unausführbar außer Kraft gesetzt werden (AmtsG Gütersloh 16 F 425/90).

(2) Die Kinderärztin kann bei der zweieinhalb Jahre alten Tochter keinen krankhaften Befund erheben. Dennoch klagt das Kind unvermindert über Bauchweh. Erst als sich die Eltern trennen wird deutlich, dass das Bauchweh mit der Person des Vaters zusammenhängt. Immer wenn er wieder erscheint oder wenn auch nur von ihm die Rede ist, klagt die Tochter über Bauchschmerzen. Es handelt sich um eine Willenserklärung besonderer Art. Nämlich nicht mittels der Sprache, sondern über eine früh aufgetretene und aufmerksam beobachtete psychosomatische Reaktion des Organismus. Welche Erfahrungen des Kindes mit dem Vater dieser psychosomatischen Reaktion zugrunde liegen, konnte jedoch nie aufgeklärt werden. Zwangsläufig trat im Laufe der Jahre zwischen dem Vater und dem inzwischen 14jährigen Mädchen eine zunehmende Entfremdung ein. Auf sachverständigen Rat setzte das FamG die Umgangsbefugnis aus und verpflichtete die Mutter, dem Vater regelmäßig über das Wachstum und die Entwicklung des Kindes zu berichten. (AmtsG Bielefeld - 34 F 218/89).

Diese beiden Beispiele sind selbstverständlich nicht repräsentativ; sie stellen eine Zufallsstichprobe dar. Dennoch zeigen sie etwas Typisches. Einmal, dass schon Kinder eigene Gründe haben können, sich vom anderen Elternteil fernzuhalten. Und, zum anderen, dass Kinder einen begründeten Willen nicht erst äußern, wenn sie des Sprechens mächtig sind, sondern dass aus ihrem kindlichen, noch ganzheitlichem Erleben heraus der ganze Organismus als Ausdrucksorgan fungiert. Es ist ja bekannt, dass kleine Kinder psychische Belastungen an Störungen des Magen-Darm-Traktes erkennen lassen. Die Beispiele zeigen aber auch, dass der Preis für die eigene seelische Balance der Verzicht auf einen Elternteil ist. Darum ist hierbei stets sachkundiger Rat einzuholen. In den beiden Beispielen waren rechtzeitig eine psychologische Sachverständige beauftragt und eine Kinderärztin konsultiert worden.

Typ 4: Das Kind darf nicht

Hierbei ist der persönliche Umgang des Kindes mit seinem anderen Elternteil durch gerichtlichen Beschluss ausgeschlossen worden. Und zwar in der Regel, weil dieser Elternteil entweder durch seine Person oder durch die Umstände, in denen er lebt, die Entwicklung des Kindes gefährden oder gar schädigen würde. Das bedeutet, zum "Schutz von Wachstum und Entwicklung des Kindes" muss das Kind auf seinen Anspruch auf  Pflege und Vertiefung der familiären Vertrautheit mit dem Elternteil verzichten, bei dem es nicht ständig lebt. Solange die Gründe eindeutig sind, ist der Verzicht dem Kinde nicht nur zuzumuten, sondern zu seinem Wohle auch geboten. Dass es aber auch anders kommen kann, indem ein Elternteil gemaßregelt werden soll und dabei das Kind getroffen wird, zeigt der folgende, hoffentlich einzigartige Fall.

Einem Vater wird ständig der persönliche Umgang mit seinem damals vierjährigen Sohn streitig gemacht, so dass er einen der raren Besuche nutzte, um mit dem Kind für eineinhalb Jahre unterzutauchen. Damit setzte sich der Vater ganz klar ins Unrecht. Im darauffolgenden Rechtsverfahren wurde dann der persönliche Umgang des Kindes mit seinem Vater für mindestens ein Jahr ausgesetzt und das unter anderem damit begründet:

"Die Bindung zwischen beiden sei auch so eng, dass die Gefahr, das Kind könne seinen Vater vergessen und später Kontakte aus diesem Grunde ablehnen, nicht gegeben sei" (AmtsG Bottrop - 19 F 526/92, zitiert nach OLG Hamm - 7 UF 42/94).

Quelle: Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Klenner, Oerlinghausen, „Rituale der Umgangsvereitelung bei getrenntlebenden oder geschiedenen Eltern“

Spätestens nachdem ich den ganzen Artikel und die dazugehörigen Verweise gelesenen hatte war mir klar: Jetzt bin ich im Arsch!

Hass macht hässlich,
Liebe macht lieb,
Achtung macht achtenswert,
und Hingabe hinreißend.
(Hans Ritz)