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Abgeliebt und abgezockt - Väter nach der Trennung

Kapitel 6

Tierhaarallergie & psychische Probleme

Es kam also wie ich es schon vermutet hatte. Erika war vor Gericht gescheitert und die Anfeindungen von meinem Schwiegervater und Joachim liefen ins Leere. Ich weiß bis heute nicht wer mir da zur Seite stand und interveniert hat, aber der Terror von Joachim fand plötzlich nicht mehr statt. Wie ich später erfahren hatte, bekam er in seiner Firma Besuch von der Gewerbeaufsicht und von der Steuerfahndung. Er musste die Firma schließen und einen normalen Job annehmen. Seine Ex-Frau wird sich gefreut haben, denn sie hatte nun die Möglichkeit wenigstens einen kleinen Unterhalt für den gemeinsamen Sohn zu bekommen. Der zu erwartende Gegenschlag von Erika ließ allerdings nicht lange auf sich warten.

Als ich an meinem Besuchswochenende die Kinder abholen wollte, waren diese nicht da. Erika sagte mir, dass die Kinder nicht mehr zu mir kommen könnten da sie verhaltensauffällig seien und starke psychische Probleme hätten. Ich war natürlich sofort in großer Sorge. Wie konnte das sein? Bei mir waren die Kinder doch vollkommen normal, spielten mit den Nachbarskindern oder unserem Hund Timo und hatten doch jede Menge Spaß. Gut – eine Sache ist mir schon aufgefallen. Wenn ich die Kinder abholte, waren diese zunächst sehr ruhig. Das legte sich aber im Laufe des Tages und am nächsten Tag waren wir wieder eine richtige Familie.

Ich konnte durch energisches Nachfragen bei Erika erfahren, dass die Kinder bei Herrn Dr. van der Falk in Behandlung seien. Für mich war das ein Lichtblick, denn ich kannte Herrn Dr. van der Falk aus der Vergangenheit und aus meiner Zeit beim ärztlichen Notdienst. Dazu muss man wissen, dass ich viele Jahre bei DRK verpflichtet war. Statt Bundeswehr halt. Daher war es für mich auch kein Problem umgehend mit dem Arzt in Kontakt zu treten und einen Gesprächstermin zu bekommen. Mit großer Sorge betrat ich die Praxis und hatte mich schon auf das schlimmste eingestellt, aber das Gespräch verlief ganz anders.

Herr Dr. van der Falk war entsetzt über die Äußerungen von Erika und er versicherte mir aufrichtig, dass meine Kinder in keinem Fall verhaltensauffällig seinen oder gar psychische Probleme hätten. Bei mir machten sich Erleichterung und Zorn breit.

Erleichterung, weil es meinen Kindern offensicht gesundheitlich gut ging und Zorn, weil Erika es einmal mehr geschafft hatte mir Angst zu machen und mir die Kinder vorzuenthalten.

Ich hatte dann versucht mit Erika darüber zu sprechen, aber sie blieb bei ihrer Version der Ereignisse und verwehrte mir den Umgang. Also wurde das einmal mehr ein Fall für die Anwälte. Wieder gingen Wochen ins Land bevor ich meine Kinder sehen durfte. Nach zwei weiteren Besuchswochenenden bekam ich dann an einem Freitag einen Telefonanruf von Erika. Sie teilte mir mit, dass meine Kinder sich nicht in meiner Wohnung aufhalten könnten, da die Kinder eine Tierhaarallergie hätten. Ich könne ja meine Freundin Andrea und ihren Köter Timo samt dem Flohcircus entsorgen. Dann könnten die Kinder ja vielleicht mal wieder kommen.

Ich war geschockt. Das darf doch nicht wahr sein. Was bildet sich Erika da ein. Eine Frechheit das Ganze!

Also wurde auch das einmal mehr ein Fall für die Anwälte. Man hat ja auch sonst keine Hobbys. Besonders übel ist es allerdings, dass auch hier wieder Wochen vergingen in denen ich meine Kinder nicht sehen durfte. Ich habe dann versucht wenigstens telefonischen Kontakt zu halten. Bei dem Versuch ist es aber auch geblieben. Wie nicht anders zu erwarten, hatte ich natürlich fast immer Erika am Telefon, die es immer verstand selbst diese Kontaktaufnahme zu unterbinden. Schlimmer noch. Von gut fünfundzwanzig Besuchswochenenden an denen die Kinder bei mir hätten sein können, kamen nicht einmal fünf Wochenenden zusammen. Selbst die Kontaktaufnahme durch meine Schwester oder meine Mutter wurde unterbunden. Entfremdung? Vorprogrammiert!

Wie sich später herausstellte, hatten die Kinder in dieser Zeit zwei Hasen bekommen und meine älteste Tochter Lisa bekam Reitunterricht.

Tierhaarallergie?

Ein Schelm der böses dabei denkt!

 

Das Thema sind jene Verhaltensweisen, die im Endergebnis zu einem Phänomen führen, das in seinen verschiedenen Facetten als “elterliches Entfremdungssyndrom” (parental alienation syndrome, PAS) bekannt wurde. Dabei beginnen manche Kinder nach einer Trennung der Eltern und mit Beginn eines Sorgerechtstreites (oft nach Umgangsboykott und Abwertungen des anderen Elternteils) ohne nachvollziehbaren Anlass im Verhalten des nicht betreuenden Elternteils den Kontakt zu ihm und seinem familiären Umfeld zu verweigern. Sie erfinden eigene Gründe hinzu und betonen, dass alles “ihr Wille” sei. Sie weisen dabei eher absurde Begründungen vor und solche, die sie wörtlich vom entfremdenden Elternteil übernommen haben. Nach verschiedenen Studien in den USA wandten sich bei hochstreitigen Scheidungen 30-45% der Kinder zwischen sieben und vierzehn Jahren gegen einen Elternteil, ohne dass dafür Gründe im Verhalten dieses Elternteils feststellbar waren (Johnston und Campbell, 1988; Lampel, 1986, 1996). Nach den Erfahrungen von Walter Andritzky (Psychotherapie 7. Jahrg. 2002, Bd. 7, Heft 2) liegt Verdacht auf PAS auch in Deutschland etwa in jedem zweiten Fall vor, für den ein psychologischer Sachverständiger von einem Familienrichter mit Klärung von Fragestellungen wie “ob der Umgang des einen Elternteils dem Wohl des Kindes dient” oder “welchem Elternteil gegebenenfalls das alleinige Sorgerecht für das Kind übertragen werden sollte” beauftragt wird.

Das in Deutschland nur fragmentarisch rezipierte PAS-Konzept wurde mittels “übergestülpter” Kriterien vorschnell angezweifelt, ohne dass zwischen “Kindesentfremdung” und “elterlichem Entfremdungssyndrom” unterschieden wurde oder auch nur der Erkenntnisgewinn gegenüber früheren Konzepten herausgearbeitet wurde. Bei der psychologischen Begutachtung finden sich zwar komplexe Problemkonstellationen, wenn tatsächliches Fehlverhalten eines vom Kind abgelehnten Elternteils vorliegt

(zum Beispiel: Schläge), wenn neue Partner und Kinder hinzukommen und ein mehrfacher Loyalitätskonflikt entsteht, wenn die geschlechtsspezifische Identifikation und gleichzeitiger Loyalitätskonflikt vorliegen oder Schuldzuschreibung des Kindes gegenüber dem verlassenden Elternteil. Diese Randbedingungen sind jedoch von Ursachen und Erscheinungsbild des PAS abzuheben: Erstere können lediglich Präferenzen des Kindes für einen Elternteil begründen, keinesfalls jedoch ein Verhalten, das die Merkmale von PAS umfasst. In allen Fällen von PAS kann in der psychologischen Familienuntersuchung ein massiv entfremdendes und den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil behinderndes Verhalten nachgewiesen werden, welches die Reaktionen des Kindes inhaltlich und im zeitlichen Auftreten erklärt. Jede Kontaktaufnahme wird als Belästigung definiert, welche die Routine unterbricht (“Wir essen jetzt zu Abend!”, “Lisa ist jetzt in der Badewanne!”). Andere entziehende Elternteile beginnen, vor den Übergaben an den anderen Elternteil demonstrativ zu weinen und vermitteln dem Kind dadurch intensive Schuldgefühle.

Jeder Wunsch nach Erweiterung des Kontaktumfanges ist “noch zu früh”, “es geht zu schnell”. Wenn nach erfolgreichem Umgangsboykott ein Gerichtsbeschluss die Wiederaufnahme des Umgangs mit dem anderen Elternteil anordnet, heißt es: “Das Kind muss sich erst langsam wieder an den Vater gewöhnen.” Tatsächlich lässt sich beobachten, dass auch nach längerer Kontaktunterbrechung (1/2 Jahr bis zu 1 Jahr) der Umgang in kürzester Zeit ungezwungen erfolgt (sofern beim Kind keine schwere Form des PAS vorliegt).  Einen den anderen Elternteil herabwürdigenden Effekt haben sarkastische Bemerkungen des entziehenden Elternteils wie zum Beispiel bei Entgegennahme eines Geschenks: “Das soll ein Geschenk sein?”, bei einer Einladung des Kindes zur Kirmes: “Ist es nicht toll, dass er dich zur Kirmes mitnimmt?”.

Das Kind wird mit Aussagen konfrontiert, welche ihm unterstellen, es sei ihm eine Qual, den anderen Elternteil zu besuchen (“Du musst den Vater besuchen, wenn nicht, bringt er uns vor Gericht”). Wenn das Kind das Haus verlässt, ruft ihm die Mutter nach: “Ich habe alles getan, um dir die Besuche zu ersparen“, “Ich bin bei dir und ich habe Dich lieb!’’,

“Es ist ja nur das eine Wochenende!” Ein entziehendes Elternteil sagte bei der Rückkehr des Kindes vom Besuchswochenende an der Haustür zu ihm: “Jetzt bist du kaputt, nicht?”. 

Eigenständige, dem Kind wichtige emotionale Kontakte werden auf ein Minimum reduziert und eine fortwährende Selbstinszenierung des entziehenden Elternteils als Opfer (“geschlagen werden”, “sich bedroht fühlen”, “immer putzen müssen”, “hat sich nie gekümmert”) führt beim betroffenen Kind auf suggestivem Wege zur unbewusster Identifikation und Ablehnung des anderen Elternteils.

Das wenig ausgeprägte Zeitempfinden des Kindes wird genutzt: Zu einem anstehenden Umgangstermin, den das Kind zeitlich nicht berechnen kann, bietet der entziehende Elternteile dem Kind ein attraktives Ereignis an (z. B. Kindergeburtstag oder Ausflug mit den Großeltern) und teilt dem anderen Elternteil mit, der Termin müsse leider ausfallen, da das Kind gerne dorthin wolle. Besteht der andere Elternteil auf seinem Besuchstermin, wird er als egoistisch bezeichnet.

Im Unterschied zu kooperativen Eltern, welche jeweils einen Ersatztermin anbieten oder den anderen Elternteil das Kind zu dem Ereignis begleiten lassen, geht es dem entziehenden Elternteile darum, den Kontakt einzuschränken und mit jedem ausgefallenen Termin zu halbieren. Typisch für die Anfangsphase eines Entfremdungsprozesses ist die Frage des entziehenden Elternteils an das Kind, es könne den anderen Elternteil selbstverständlich besuchen, “wenn du das gerne willst”. Gleichzeitig betont der entziehende Elternteil:

“Ich wäre die Letzte, die ihm da Steine in den Weg legen würde”. Die scheinbar auf den freien Willen abhebende Frage suggeriert dem Kind, der entziehende Elternteil könnte sehr wohl Gründe haben, dass es den anderen Elternteil nicht besuchen solle und induziert damit erste Zweifel die in Zukunft Früchte tragen werden.

Meiner Meinung nach ist das ein vollkommen egoistisches Verhalten, dass den Kindern erheblich schadet und eine normale Entwicklung der Kinder zu einer gefestigten Persönlichkeit verhindert. Eine spätere Beziehungsunfähigkeit scheint dann schon vorprogrammiert.