Money making is (not) a wonderful thing
(Maxim featuring Skin - Carmen Queasy)
Da sich viele der Streitereien im Grunde nur noch um die permanente Unzufriedenheit von Erika und um das liebe Geld drehten war für mich klar, dass zunächst mal mehr Geld in die Haushaltskasse muss. Alles andere wird sich schon finden. Doch wie stellt man das an? Ich war ja nur ein kleiner, aber guter, Angestellter in einem Forschungsinstitut. Es gibt ja da den Spruch „tue Gutes und rede darüber“. Eigentlich ein guter Ansatz. Allerdings hat die Sache ja einen Haken. Man muss dann auch beweisen, dass man mehr leistet als die Kollegen. Also frisch ans Werk. Fortbildungen besuchen, Mitarbeit in Arbeitskreisen und Forschungsprojekten forcieren, immer neue Ideen in die Arbeit einbringen, sich in den Betriebsrat wählen lassen und trotzdem immer kollegial und hilfsbereit sein.
Ja – so geht es!
Und tatsächlich – innerhalb weniger Jahre wurde das Gehalt ständig erhöht und ich bekam nun fast so viel wie ein wissenschaftlicher Mitarbeiter. Was ich aber nicht bedacht hatte, war die Tatsache, dass ich auch keinen Achtstundentag mehr hatte.
Oft kam ich müde und ausgelaugt von der Arbeit nach Hause. Anstatt jedoch die positive Finanzentwicklung zu sehen und die Dinge die nun endlich für uns möglich wurden, wurde ich mit immer mehr Ablehnung bedacht. Verstehen konnte ich das zunächst nicht, denn das Finanzproblem war ja aus meiner Sicht aus der Welt. Nun gab es aber neue Herausforderungen die ich zu bestehen hatte. Unterhalb der Woche hatte ich natürlich nur noch wenig Zeit für meine Kinder und den Haushalt. Das sollte sich nun rächen.
Obwohl ich bei umgekehrter Einkommenslage gerne die Kindererziehung und den Haushalt übernommen hätte, war mir eigentlich immer klar, dass es in einer Familie darum geht etwas gemeinsam zu bewältigen. Mit anderen Worten: Einer kümmert sich um Heim und Herd, einer versorgt die Familie.
Dumm gelaufen, wenn man dann eine missgünstige Schwiegermutter hat die zu ihrer Tochter sagt: „Nikolaus ist wie Dein Vater und Du solltest es doch mal besser haben“, geschiedene Freundinnen von Erika die Ihr erzählen wie viel besser es doch ist aus dem „Ex“ den Unterhalt zu pressen und nicht zuletzt eine Werbung die durch Slogans wie „das bin ich mir Wert“ oder „mein Haus, mein Boot, mein Pool, mein Pferd“ den eigenen Egoismus schürt. Hat die Partnerin das verinnerlicht, dann ist in der Tat Hopfen und Malz verloren. So auch bei uns…
Natürlich macht man sich auch so seine Gedanken. Woran liegt es? Habe ich etwas verkehrt gemacht? Was läuft da eigentlich schief? Wie kann ich es ändern? Aber eine Antwort konnte ich zu der Zeit nicht finden. Im Gegenteil – es wurde immer schlimmer. Wenn ich am Abend durchgefroren von einer Baustelle kam war, trotz der Bitte das Badewasser vorzuheizen (Boiler), kein Badewasser verfügbar. Essen gab es wegen der späten Zeit natürlich auch nicht und wenn ich mal zeitig zu Hause war und die Wohnung betrat, so wurden alle Gespräche mit den anwesenden Freundinnen von Erika sofort eingestellt. Natürlich machte mich das misstrauisch und trotzdem habe ich immer wieder versucht die Situation ohne Vorwürfe anzusprechen. Es muss doch eine Lösung möglich sein. Es kann und darf doch nicht so enden – schon gar nicht wegen der Kinder. Es war für mich ein unerträglicher Gedanke die Kinder verlieren zu können oder durch „mein“ Verhalten zu ängstigen.
Der Wunsch die Familie zusammenzuhalten und den Kindern den Vater zu erhalten hat natürlich auch eine Historie.
Angefangen hat natürlich alles mit meiner Geburt. Daran habe ich naturgemäß keine Erinnerung. Allerdings weiß ich aus Erzählungen, dass diese für alle Beteiligten sehr überraschend war. Nach der Geburt meiner Schwester sollte meine Mutter eigentlich keine Kinder mehr bekommen können. Als nach mehr als zwölf Jahren die Regelblutung aussetzte und sich Unterleibsschmerzen bei meiner Mutter bemerkbar machten, wurde ein Arzt aufgesucht. In der Familie und im Bekanntenkreis gab es zu dieser Zeit schon einige Fälle von Krebserkrankungen so, dass sich bei meinen Eltern die ersten schlechten Gefühle breitmachten. Umso größer war die Freude, als der Arzt mitteilte, dass die „Geschwulst“ gutartig sei, zwei Arme, zwei Beine und eine Kopf hätte.
Der Jubel muss unvorstellbar gewesen sein. Als nun auch noch ein Stammhalter geboren wurde, gab es wohl keinen glücklicheren Menschen als meinen Vater.
Meine frühe Kindheit verlief sehr glücklich. Ich wurde umsorgt, beschützt und meine Eltern waren immer für mich da. Das Wohnumfeld war wie geschaffen für Kinder. In den umliegenden Werkswohnungen gab es Kinder aller Altersklassen. Ebenfalls war ein Feld vorhanden auf dem wir spielten, Lagerfeuer machten, Karamell kochten und Hütten bauten. Soziale Kompetenz wurde in der Gruppe gelernt. Alles war gut.
Kurz bevor ich zwölf Jahre alt wurde, verstarb mein Vater im Urlaub auf der Insel Sylt. Glück im Unglück war, dass meine zwölf Jahre ältere Schwester Ulrike und mein Schwager Florian anwesend waren. Ich werde nie den Alptraum vergessen wie ich durch die Schreie meiner Mutter und meiner Schwester aus dem Schlaf gerissen wurde und feststellen musste, dass mein Vater stirbt.
Auch nach so vielen Jahren ist es für mich unbegreiflich wie meine Mutter eine Trauerzeit von gut zwei Jahren durchgehalten, oder besser gesagt zelebriert, hat. Schließlich war meine Mutter ja noch keine alte Frau sondern damals in etwa genauso alt wie ich heute bin.
In den ersten Monaten haben wir dann bei meiner Schwester gewohnt, da meine Mutter nicht in der Lage war die eigene Wohnung zu betreten. Nächtelang hat Sie geweint, was offen gestanden für mich unerträglich war. Es gab in dieser Zeit sogar mal den Wunsch, dass meine Mutter schnell meinem Vater folgen möge. Als wir dann nach einigen Monaten endlich in unserem eigenen Zuhause waren, war es auch nicht wesentlich besser. Die Trauer meiner Mutter war übergroß und sie hatte sich im ersten Jahr sehr an mich geklammert. Es hat mich viel Überwindung gekostet meiner Mutter verständlich zu machen, dass ich ja auch noch eigene Interessen habe. Freunde treffen und ohne schlechtes Gewissen das Haus verlassen zu können, ohne zu glauben das meine Mutter Rotz & Wasser heult wenn ich nicht da bin, hat viel Kraft gekostet.
Auch war es sehr schwer für meine Mutter sich mit der neuen Situation abzufinden. Der Macher in der Familie war halt mein Vater. Es gab nichts was der alte Herr nicht hätte regeln können.
Diese Aufgabe kam nun auf mich zu. Meine Schwester die sich auch sehr gekümmert hat, hatte aber auch die eigene Familie mit Mann und Kindern zu versorgen und war somit nicht immer greifbar wenn es was zu erledigen gab.
Ich habe daher meine Mutter zu den Behörden begleitet, den Schriftverkehr übernommen und, wenn es darauf ankam, auch mal deutliche Worte für die Nachbarn gefunden wenn diese der Meinung waren meiner Mutter zu nahe treten zu müssen.
Trotz allem hat es mir an nichts gemangelt. Meine Mutter hat ein Talent aus Nichts eine Menge zu machen. Sogar ein Urlaub im Jahr war drin. OK – ich hatte nicht die tollsten Sachen oder das beste Fahrrad, aber ich habe auch nicht wirklich etwas vermisst. Ich wusste ja genau, dass die Rente nicht sehr hoch war.
Für jemanden der sich nach der Harmonie seiner Jugend sehnt und im elterlichen Umfeld nur positives erfahren hat, ist es daher sehr schwer zu ertragen, dass es mit der eigenen Familie ganz anders aussieht.
Um es bildlich zu sagen: Man schaut aus dem Fenster und die Sonne scheint. Schauen Erika oder ihre Eltern zur gleichen Zeit durch dasselbe Fenster, so wird behauptet, dass es regnet. Irrsinn!
Obwohl ich immer mehr zurück steckte und mich schon fast selbst verleugnete, wurden die Streitereien immer schlimmer und ließen sich auch vor den Kindern nicht mehr verbergen.
Für mich und die Kinder war das wirklich eine unerträgliche Situation die ich allerdings nicht kontrollieren konnte. Denn für einen Dialog brauch man schon zwei Personen.
Wenn sich einer dem Gespräch verweigert, kann man keine Lösung finden. Daher wurde mir immer mehr bewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Eine Lösung muss her – dringend!
We need help!