Silberstreif am Horizont oder Ragnarök?
Den Silberstreif am Horizont kennen wir wohl alle, aber was ist Ragnarök?
Ragnarök (altnordisch „Schicksal der Götter“) ist die Sage von Geschichte und Untergang der Götter (Weltuntergang) in der Nordischen Mythologie, wie es die Völuspá prophezeit. Das Deutsche übersetzt oft als „Götterdämmerung“, was auf eine Fehlinterpretation von Snorry Sturluson zurückgeht: während die ältere Lieder-Edda von Ragnarök, dem „Schicksal der Götter“, singt, schreibt er in seiner Prosabearbeitung stets ragna rökr, „Götterdämmerung“ (vgl. altnordisch røkkr, „Dunkelheit“). Der letzte Teil des Ragnarök schildert die neue Welt, die nach dem Untergang der alten Welt entsteht.
Die Asen versammeln sich. Flammen und Rauch werden zum Himmel schießen. Durch den Ausgleich von Ordnung und Chaos wird ein Gleichgewicht entstehen, das dem wiedergeborenen Allvater Odin verhilft, eine neue Welt zu schaffen. Die Asen einen sich am Idafelde und alles Böse bessert sich.
So gesehen hat der vermeidliche Weltuntergang dann auch was Gutes. Hoffentlich auch für mich. Aber das wird sich noch zeigen.
Nachdem ich die Kinder in den letzten Jahren nur zu den Geburtstagen oder zu Weihnachten sehen konnte wollte ich den Kontakt intensivieren. Die Frage war nur, wie soll man das anstellen. Hier kam mir dann das Zeitalter der elektronischen Medien zu Hilfe. Hier und das mal eine SMS oder MMS, eine Nachricht via ICQ oder e-Mail oder mal nach Absprache ein Anruf auf dem Handy. Siehe da – es geht!
So kam es, dass wir uns immer häufiger mal zu Frühstück verabredet haben. Wir haben in der Nachbarstadt ein nettes Lokal. Dort bekommt man bis 14:00 Uhr Frühstück nach Wahl oder à la Carte, kleine Snacks und Getränke aller Art in gemütlicher Atmosphäre. Gelegentlich spielt sogar jemand live auf dem Piano.
Nach einigen Treffen stellte sich ein Rhythmus von zirka sechs Wochen ein. Toll – das war mehr als in den Jahren zuvor. Bei diesen Treffen habe ich bewusst vermieden mich nach Erika zu erkundigen oder die leidigen Auseinandersetzungen über die Anwälte anzusprechen. Im Gegenteil, ich habe mich bemüht das Ganze auf ein solides freundschaftliches Fundament zu stellen. Wenn ich schon nicht Vater sein durfte, so wollte ich doch zumindest der Freund sein dürfen. Lisa war ja nun schon achtzehn Jahre alt und somit eine junge und gutaussehende Frau die kurz vor dem Abitur stand.
Eigentlich lief es ja nun recht gut und ich war zufriedener als zuvor. Auch wenn die Kontakte nach wie vor recht zaghaft waren. Das war aber auch nicht schlimm. Nur nichts übertreiben oder zu viel fordern. Man sät ja auch keinen Rasen um nach zwei Wochen darauf Fußball zu spielen. Man muss die Dinge auch mal wachsen lassen können. Kleine Bäume knicken, eine alte und gesunde Eiche steht fest.
Also habe ich nach einigen mal wieder bei Lisa & Isabel angerufen und gefragt ob wir mal wieder zusammen frühstücken wollen. Die Antwort war positiv. Allerdings bat Lisa um eine Verschiebung des Termins um eine Woche da sie viel für das Abi lernen müsse. Gutes Kind, dachte ich da bei mir. Toll, dass sie so zielstrebig ist. Also kein Problem – wir sehen uns also übernächstes Wochenende.
Zwei Tage später der Schock. Als ich morgens ins Büro kam, erwarteten mich der Geschäftsführer und die Prokuristin der Firma. Ich wurde ins Besprechungszimmer gebeten wo auch noch ein weiterer Herr wartete den ich nicht kannte. Mein Chef sagte dann mit drohendem Unterton „Das ist Herr Müller, Gerichtsvollzieher, er will dein Gehalt pfänden und ich habe schon meinen Anwalt eingeschaltet“.
Es passiert mir sehr selten, dass ich sprachlos bin und mich nicht artikulieren kann, aber an dem Morgen kam fast kein Wort über meine Lippen. Angeblich hätte ich Unterhaltsschulden die nun Vollstreckt werden sollen. Jetzt war ich vollends sprachlos. Meine zaghaften Bemühungen das aufzuklären und zu versichern, dass ich nichts schuldig geblieben sei, gingen im Zorn meines Geschäftsführers unter. Dazu muss man wissen, dass er sehr konservativ ist, die Firma quasi auf dem Lande liegt und dort jeder jeden kennt.
Nachdem der Gerichtsvollzieher gegangen war, ging die Diskussion erst richtig los. Angefangen vom guten Ruf der Firma, über Kosten die nun entstehen würden, bis hin zur Kündigungsandrohung war alles dabei. Das war in der Summe zu viel für mich. Obwohl nicht so schnell geklärt werden konnte, ob die Forderung zu Recht besteht, habe ich den Betrag überwiesen um letztlich auch Schaden von der Firma und von mir abzuwenden. Der Versuch mit meinen Chef die Sache zu besprechen war nicht von Erfolg gekrönt sondern wurde von seiner Seite glatt abgebügelt. Allerdings hatte das für mich erhebliche gesundheitliche Folgen.
Es war ja nicht nur der berufliche Stress, sondern auch der jahrelange nervenaufreibende Konflikt mit Erika und der Kampf um die Kinder der mich mürbe gemacht hatte. Besonders der langsame Tod meiner Schwester, deren Verfall wir alle miterleben mussten, sondern auch der anschließende Zusammenbruch meiner Mutter (* 1927) der in einem Schlaganfall endete, gab mir den Rest. Ich hatte einen Zusammenbruch mit einem Krankenhausaufenthalt. Psychopharmaka bekam ich ja schon seit einigen Jahren. Das Thema war eigentlich immer das Gleiche. Nervöse Angststörung, depressive Episode, Belastungsstresssyndrom, Atemnot, Herzrasen, die Verlegenheitsdiagnose vegetative Dystonie, Existenzängste (Andrea wurde einige Monate zuvor „wegrationalisiert“) und nicht zuletzt Schlaflosigkeit.
Kurzum – ich fiel um!
Als wenn das nicht schon genug gewesen wäre kam es noch dicker. Wie ich heute aus verlässlicher Quelle weiß, hatte mein Chef schon einige Zeit ein Problem mit mir - oder besser – mit seinem Ego. Denn Kunden wollten seit einigen Monaten nur noch mit mir sprechen und nicht mit ihm. Dazu kam noch, dass der eigens engagierte Unternehmensberater geäußert hatte, mir mehr Kompetenzen einzuräumen und das es an der Zeit sei, dass der Geschäftsführer endlich mal die Geschäfte führt.
Im Zusammenhang mit meiner psychischen Erkrankung, dem Missfallen des Geschäftsführers und dem Besuch des Gerichtsvollziehers wurde nun auch mir betriebsbedingt gekündigt. An meiner Arbeit kann es nicht gelegen haben, denn seit Beginn meiner Tätigkeit war der Gewinnvortrag der GmbH um dreißig Prozent gestiegen!
Aber jetzt hatte ich wirklich ein Problem und ich war mit meiner Geduld am Ende…